Barbara Callisaya

Leiterin Patientenstelle Zentralschweiz

Meine Erfahrung ist, Patienten und Patientinnen wollen in ihrer Situation hauptsächlich ernst genommen werden. Darauf hinzuwirken, ist ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit.

Barbara Callisaya

Die Leitung der Patientenstelle Zentralschweiz habe ich im November 2007 - vor zehn Jahren - übernommen. Anfänglich waren wir mit grossen finanziellen Herausforderungen konfrontiert. In der täglichen Fallarbeit war die finanzielle Absicherung stets ein Thema und daher sehr belastend. Seitdem wir mit dem ZiSG einen Leistungsvertrag haben, kann ich mich ganz auf meine eigentliche Arbeit konzentrieren. Als Leiterin der Patientenstelle Zentralschweiz vertrete ich die Interessen der Patientinnen und Patienten gegenüber den Leistungserbringern, sprich gegenüber der Ärzteschaft, den Spitälern, den Pflegeheimen und den Versicherungen.

Wenn ich morgens um 8 Uhr im Büro eintreffe, bin ich stets neugierig, was mich erwartet; welchen Lebensgeschichten ich begegne. Personen wenden sich mit allerlei Anliegen an die Patientenstelle Zentralschweiz. Sie haben Fragen zu Arztrechnungen, erkundigen sich zu Versicherungsleistungen, sind unzufrieden mit Ärzten und Ärztinnen, weil sie sich nicht ernst genommen fühlen oder es im Nachgang an eine Behandlung zu Komplikationen gekommen ist.

Jährlich bearbeite ich rund 500 Anfragen. Nicht übertrieben ist, wenn ich sage, dass sich wöchentlich eine Person mit einem «krassen Fall» bei mir meldet. Ich rechne mit 50-60 Fällen jährlich, bei denen eine telefonische Beratung nicht ausreicht und ich den Fall grundlegend aufarbeiten muss.

Ein krasser Fall? Soll ich Ihnen ein Beispiel geben?

Nach einer Operation der Gebärmutter klagt eine Frau über schlimme Schmerzen im Bauchraum. Diverse Abklärungen und eine Computertomographie ergeben, dass die Ärzte ein Tuch im Bauch der Frau vergessen haben. Das Tuch verwächst mit dem Darm, worauf es zu einer gefährlichen Entzündung des ganzen Bauchraumes kommt. Ein rasches Eingreifen mit mehreren Folgeoperationen und langer Spitalaufenthalt sind die Konsequenzen. Da die Frau selbstständig erwerbend ist, ist sie mit einem hohen Erwerbsausfall konfrontiert. Dieser ist in ihrem Fall nicht durch eine eigene Versicherung gedeckt.

Muss ich einen solchen Fall grundlegend angehen, so kläre ich in einem ersten Schritt mit der Vollmacht meiner Klientin oder meines Klienten die Problemlage möglichst genau ab. Meist fordere ich dazu Patientenakten und Gutachten an und bespreche diese je nach Bedarf mit unserem Rechtsanwalt. Falls ich nach dem Aktenstudium begründet von einer Sorgfaltspflichtverletzung ausgehen kann, kontaktiere ich in einem zweiten Schritt den Problemverursacher selbst. Ich lade ihn zu einer Stellungnahme ein und bitte ihn, den Schadensfall zur weiteren Abklärung bei seiner Haftpflichtversicherung anzumelden.

Im besten Fall einigen wir uns mit dem Problemverursacher auf eine Schuldanerkennung. Diese schafft die Basis für eine beschränkte, finanzielle Abgeltung der ungedeckten Kosten wie Selbstbehalt, Erwerbsausfall und anderes durch die Haftpflichtversicherung des Problemverursachers. Grosse finanzielle Abfindungen, wie wir sie aus den USA kennen, sind in unserem Schweizer Rechtssystem aber unrealistisch.

Und auch so: Wenn eine Behandlung missrät, geht es meinen Klientinnen und Klienten selten darum, finanzielle Ansprüche zu erheben.
Meine Erfahrung ist, Patienten und Patientinnen wollen in ihrer Situation hauptsächlich ernst genommen werden. Darauf hinzuwirken, ist ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit. In einigen Spitälern habe ich daher die Aussprache an einem Runden Tisch etabliert. Der Runde Tisch bietet Gelegenheit, zwischen Patient oder der Patientin, den Chefärzten, der Stationsleitung und dem Qualitätsmanagement direkt zu vermitteln. Ein «Es tut mir aufrichtig leid» vonseiten der behandelnden Ärzteschaft kann viel Spannung lösen und einen langen, kostspieligen Rechtsweg ersparen.

Wenn ich am Nachmittag das Büro verlasse, kann es schon vorkommen, dass ich die Geschichten, Schicksale und Nöte meiner Klientinnen und Klienten gedanklich mit nachhause nehme und ich noch eine Weile daran herumstudiere. Manchmal sage ich mir dann, ich sollte das Ganze nicht so nah an mich ran lassen. Aber eben, in meiner Arbeit steckt viel Herzblut. Wenn sie mich nach Feierabend fordert, ist es halt so.

Gespräch und Bild Michael Wicki


Kontakt

Patientenstelle Zentralschweiz
St. Karliquai 12
6004 Luzern
T 041 410 10 14

www.patientenstelle.ch

Geschäftsleitung: Barbara Callisaya-Zangger