Vero Beck

Stv. Leiterin Paradiesgässli Verein Kirchliche Gassenarbeit Luzern

In unserer Arbeit befassen wir uns mit vielen Themen - dabei ist die Sucht der Eltern eines, das aber oft nicht im Vordergrund steht. Uns geht es primär darum, das „gwagglige“ Eltern-Kind-System zu stabilisieren.

Vero Beck

Unsere Klienten und Klientinnen lieben ihre Kinder. Gleichzeitig haben sie Angst, als Eltern zu versagen. Zu uns ins Paradiesgässli kommen sucht- und armutsbetroffene Eltern und ihre Kinder, dazu gehören auch schwangere, drogenabhängige Frauen.

Einige der Eltern leben seit Jahren abstinent, andere sind in Substitutionsprogrammen, wieder andere zeigen ein akutes Suchtverhalten.

In unserer Arbeit befassen wir uns mit vielen Themen - dabei ist die Sucht der Eltern eines, das aber oft nicht im Vordergrund steht. Uns geht es primär darum, das „gwagglige“ Eltern-Kind-System zu stabilisieren. Dies kann nur gelingen, wenn man die gesamte Lebenssituation der Familien ins Auge fasst mit all ihren Ressourcen und Problemen.

Die Kinder merken schon früh, dass etwas nicht stimmt. Trotzdem halten sie fest zu ihren Eltern und versuchen, von sich aus das System zu regulieren. Manchmal kommt es zu einer Rollenumkehr, Kinder kochen für ihre Eltern, waschen oder halten den Überblick über wichtige Termine.

Unser Ziel ist, das Verantwortungsbewusstsein und die Erziehungskompetenzen der Eltern zu fördern und sie in rechtlichen und finanziellen Fragen zu unterstützen.

Wir versuchen die Stärken unserer Klienten hervorzuheben und mit ambulanten Angeboten die Lücken abzudecken. Ein wichtiger Teil unserer Beratung ist die Budgetarbeit. Für einige Klienten verwalten wir das Einkommen. Es kommt ebenfalls vor, dass wir unsere Klienten zu wichtigen Terminen begleiten. Wir sehen uns als Vermittler und sind stark auf die Vernetzung von Substitution, Schule, Heime, Fachstelle Kinderbetreuung bedacht.

Manchmal sind unsere Klienten verzweifelt. Sie rufen an oder schicken uns eine Whats-App Nachricht und bitten um einen zeitnahen Termin für ein Beratungsgespräch.

Heute Vormittag beispielsweise hat Katharina angerufen: Der Kühlschrank sei komplett leer, der siebenjährige Sohn komme nach Hause und Geld sei auch keines mehr übrig. Für solche Fälle haben wir hier im Paradiesgässli stets eine Notration Essen eingelagert, am Mittwoch und am Freitag werden wir zudem von der Schweizer Tafel beliefert und können die Esswaren an unsere Klienten weitergeben.

Wie Katharina kommen unsere Klienten meist über viele Jahre zu uns. Mit der Zeit gelingt es, eine gute Beziehung zu schaffen und Vertrauen aufzubauen.
Eine der Voraussetzungen für die Arbeit im Paradiesgässli ist, dass man mit beiden Beinen fest im Leben steht - eine andere ist ein hohes Reflexionsvermögen. Es gibt Situationen, die für mich in meiner täglichen Arbeit schwierig zu verstehen sind. Etwa dann, wenn die Sucht so stark in den Vordergrund rückt, dass es ein Vater oder eine Mutter nicht mehr schafft, das Kind im Heim zu besuchen. Das Kind tut mir dann leid.

Manchmal hilft es, mir die psychosoziale Disposition der Klienten oder Klientinnen zu vergegenwärtigen, um verorten zu können, warum jemand auf eine bestimmte Art und Weise handelt. Manchmal müssen wir aber auch einfach aushalten und zuschauen.

Zum Glück sind wir keine Einzelkämpfer. Unser Team umfasst neun Personen. Zusammen sind wir fast eine Familie und so kann es gut sein, dass wir die Kaffeepause gleich für eine Mikrointervision nutzen.

Angefangen habe ich als Praktikantin. Nun bin ich stellvertretende Leiterin des Paradiesgässli und seit 12 Jahren hier.

Wenn ich zurückblicke, kommen mir viele Erfolgsgeschichten in den Sinn - keine weltbewegenden Karrieren sondern eher leise Entwicklungen über die Jahre. Viele Eltern haben einen harten Weg hinter sich und stehen nun mit ihren Kindern auf gutem Boden. Ich bringe ihnen grosse Achtung und Respekt entgegen.

Gespräch und Bild Michael Wicki

Kontakt

Verein Kirchliche Gassenarbeit
Murbacherstrasse 20
6002 Luzern
T 041 227 20 80

www.gassenarbeit.ch

Geschäftsleitung: Fridolin Wyss