Sepp Limacher

Gruppenleiter Auftragsbörse, IG Arbeit

Zügeln, Putzen, Räumen und Gartenarbeiten sind für uns letztlich nur Instrumente. Im Kern geht es uns immer um den Menschen. Das Ziel ist, eine möglichst stabile und gesellschaftlich integrierte Lebensform für unsere Mitarbeitenden zu erreichen.

Sepp Limacher

Dienstagmorgen. Es ist 7.50 Uhr. Zehn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stehen vor der Auftragsbörse - sie warten auf ihren Auftrag, trinken noch einen Kafi bis es losgeht. Gemäss Planung fehlen aber vier Mitarbeitende.

Leicht nervös meint mein Kollege, dass er die Hausräumung in Horw bis am Mittag nicht mit nur drei Personen erledigen könne. Ich selber habe heute einen Zügelauftrag und bin ebenfalls auf vier Mitarbeitende angewiesen. Ein weiterer Gruppenleiter hat vier Mitarbeitende für Waldarbeiten eingeplant. Nun müssen wir es eben aushandeln, wer mit wem und so weiter. Flexibilität und Kreativität sind gefordert …

Erfahrungsgemäss geht es aber irgendwann schon auf, so dass jeder mit ruhigem Gewissen in den Auftrag starten kann.

Mein Name ist Sepp Limacher. Bei der Auftragsbörse der IG Arbeit arbeite ich seit 10 Jahren als Gruppenleiter.

Die Auftragsbörse ist eine Taglöhnerei. Unsere Mitarbeitenden stehen jeweils am Montag um 7 Uhr auf der Matte und tragen sich für die darauffolgende Woche zum Arbeiten ein. Nach jedem Einsatz erhalten sie ihren Lohn als Überweisung oder bar auf die Hand. Wir sind auf die vier Bereiche Zügeln, Räumen, Putzen sowie Gartenarbeiten spezialisiert und können auf einen Pool von 40 bis 50 Mitarbeitende zurückgreifen. Speziell angesprochen werden Personen, die aufgrund einer verminderten Leistungsfähigkeit kurz- oder langfristig nicht in der Lage sind, einen Erwerbseinsatz im ersten Arbeitsmarkt zu leisten.

Jeder unserer Mitarbeiter trägt einen Rucksack, der mit persönlichen Herausforderungen gefüllt ist. Es sind Personen wie Peter, die bei uns arbeiten. Peter ist 45 Jahre alt und hat psychische Probleme. Er hat Job, Familie und soziales Umfeld verloren. Zudem ist bei ihm Sucht ein Thema, wobei Peter dank dem Methadonprogramm relativ stabil leben kann.

Jetzt geht’s vorwärts. Unsere Fachfrauen am Frontdesk konnten noch drei Mitarbeitende mobilisieren. Ich versammle meine Gruppe zum Briefing: Heute wollen wir in Ettiswil eine 3.5 Zimmer Wohnung zügeln - Blockwohnung 3. Stock. Die neue Wohnung ist ebenfalls in Ettiswil, aber im Parterre. Unsere Gruppe besteht aus vier Personen. Wir fahren mit dem Kleinbus. Der Auftrag wird inklusive Mittagspause rund sechs Stunden Zeit in Anspruch nehmen. Wenn alles gut läuft, werden wir also um 14 Uhr wieder hier sein.

Bevor wir in Ettiswil loslegen werde ich mit meinem Team alles gründlich anschauen. Auf welche Gegenstände ist mit besonderer Sorgfalt zu achten? Wo sind heikle Stellen? Was ist in Zusammenhang mit dem Kunden zu beachten? Vor allem aber: Wie steht es um meine Mitarbeitenden?
Es ist richtig, dass ich als Gruppenleiter grundsätzlich die Verantwortung für die Umsetzung des offerierten Auftrags und für die Zufriedenheit des Kunden trage.

Aber Zügeln, Putzen, Räumen und Gartenarbeiten sind für uns letztlich nur Instrumente. Im Kern geht es uns immer um den Menschen.
Das Ziel ist, eine möglichst stabile und gesellschaftlich integrierte Lebensform für unsere Mitarbeitenden zu erreichen. Wir von der Auftragsbörse bieten dazu Tagesstruktur, Arbeit, Unterstützung und individuelle Förderung und Beratung in einem produktiven, realitätsnahen Arbeitsumfeld.

Es ist 12.45 Uhr. Meine Mitarbeitenden arbeiten sorgfältig und kommen gut voran. Wir werden heute etwas früher fertig sein. Um den Auftrag abzuschliessen, werde ich meine Mitarbeitenden und den Kunden vor Ort zu einem Debriefing versammeln. Es geht mir darum, meiner Gruppe die Wertschätzung auszudrücken. Wenn ich den Eindruck habe, dass die Leistung eines Mitarbeitenden bemerkenswert war oder auch wenn ein Missgeschick passiert ist, werde ich das im Büro unter vier Augen besprechen.

Wir Gruppenleiter müssen die Menschen gern haben. Wir sind die Tätschmeister, packen an, schwitzen mit und dürfen auch mal proleten. Doch bei all dem sind wir stets immer auch Sozialarbeiter und Beobachter, die feinfühlig Situationen und Stimmungen wahrnehmen müssen. Wo stehen meine Mitarbeitenden? Was beschäftigt sie? Welche Fähigkeiten bringen sie mit und wie kann ich diese jetzt ansprechen und fördern? Der konstante Switch zwischen beiden Welten fasziniert mich an meiner Arbeit!

Am späteren Mittag will ich für eine Offertenstellung eine 4.5 Zimmerwohnung in Meggen besichtigen. Der Mieter hat sich letzte Woche telefonisch für einen Kostenvoranschlag erkundigt. Um 17 Uhr ist Schluss und ich fahre zu meiner Familie.

Gespräch und Bild Michael Wicki

Kontakt

IG Arbeit
Unterlachenstrasse 9
6002 Luzern
T 041 369 68 68

www.igarbeit.ch

Geschäftsleitung: Marc Pfister