Rachel Frei

Leiterin Begleitete Besuchstage, Fachstelle Kinderbetreuung

Als Paar haben sich zwei Personen getrennt, aber für das Kind bleiben sie Eltern. Die Aufgabe von mir und meinem Team ist, im Laufe eines Jahres die Rolle des Vater- und Mutterseins dahingehend zu stärken, dass der Kontakt von Mutter-Kind-Vater selbstständig erfolgen kann.

Rachel Frei

Es ist Samstagmorgen, 9.45 Uhr. Im Treff der Begleiteten Besuchstage herrscht ein reges Kommen und Gehen. Väter, Mütter und Kinder treffen im Viertelstundentakt ein. Gerade ist die 5-jährige Lea mit ihrer Mutter eingetroffen. Lea kann hier zweimal im Monat im geschützten oder begleiteten Rahmen ihren Vater sehen. Die Eltern haben sich vor zwei Jahren getrennt, nachdem es mehrmals zu häuslicher Gewalt gekommen ist.

Das gemeinsame Sorgerecht konnte nach der Trennung nicht wie vorgesehen umgesetzt werden. Schliesslich hat ein Gericht Treffen im Rahmen der Begleiteten Besuchstage angeordnet. Die Mutter wartet mit Lea in einem Nebenzimmer. Den direkten Kontakt zu ihrem Ex-Mann möchte sie um jeden Preis verhindern - zu stark wirken die Gewalterfahrungen nach. Lea rutscht nervös auf ihrem Stuhl hin und her. Als die Begleiterin sie abholt und nach einer kurzen Verabschiedung von der Mutter zum Vater bringt, muss sie weinen.

Seit dem ersten Treffen im geschützten Rahmen vor fünf Monaten konnte viel verbessert werden. Die Mutter kann nun besser loslassen und meint heute sogar: "Ist schon gut Lea, viel Spass mit deinem Vater." Für Lea ist der Loyalitätskonflikt durch diese Geste der Mutter nicht mehr ganz so bestimmend. Die nächsten zwei Stunden wird Lea mit ihrem Vater plaudern, spielen oder Mittag essen - immer unter Aufsicht einer der drei Begleiterinnen im Treff. Nach zwei Stunden holt die Mutter Lea wieder ab. Der Vater geht, ohne dass er der Mutter begegnet.

Lea ist eines von 65 Kindern aus Luzern, Obwalden oder Nidwalden, für die der Kontakt zu einem Elternteil nur hier, im geschützten Rahmen möglich ist.

Guten Tag, ich heisse Rachel Frei und bin die Leiterin der Begleiteten Besuchstage. Mein heutiger Arbeitstag im Treff ist eine Ausnahme. An den Begleiteten Besuchstagen, die dreimal im Monat jeweils am Samstag oder Sonntag stattfinden, bin ich nämlich in der Regel nicht anwesend. Allerdings habe ich dann Pikett-Dienst - dies für den Fall, dass es zu einem Zwischenfall kommen sollte. Solche Zwischenfälle, bei denen die Polizei alarmiert werden muss, sind aber selten.

Ich arbeite jeweils montags, donnerstags und freitags. Dabei bewege ich mich eher im Hintergrund. Meine Aufgabe ist, die drei Begleitteams mit je drei Mitarbeitenden zu führen, Einsatzpläne zu erarbeiten, die Teilnahmen im Detail zu planen, die Übergaben zu koordinieren, mich mit Behörden abzusprechen und das Konzept der Begleiteten Besuchstage weiterzuentwickeln. Die gemeinsamen Teamsitzungen mit allen drei Teams finden alle drei Monate statt. Der persönliche Kontakt zu den Klienten kommt im Büro manchmal etwas zu kurz. Zum Glück bin ich hier an meinem Arbeitsplatz gut in der Fachstelle Kinderbetreuung eingebunden und kann viel profitieren - fachlich, vor allem aber persönlich.

Ich mag den Austausch mit Behörden, Gerichten und Beiständen. Zusammen mit den Beiständen schaue ich beispielsweise, was es im Rahmen der Begleiteten Besuchstage braucht und was entwicklungspsychologisch Sinn macht. Dazu gehört auch, individuelle Risikoeinschätzungen vorzunehmen und zu prüfen, ob ein Kontakt im Rahmen unserer Begleiteten Besuchstage überhaupt möglich ist.

Natürlich möchten die Beistände nach einem Gerichtsentscheid am liebsten gleich mit den Begleiteten Besuchstagen anfangen. Ich muss ihnen in der Regel leider mitteilen, dass das nicht geht. Unsere Angebote sind stark ausgelastet und so müssen fast alle mit einer Wartezeit rechnen. Ich bin aber der Ansicht, dass diese Wartezeit oft gut genutzt werden kann, um Mutter, Kind und Vater für die Treffen vorzubereiten. Das OK-zum-Treffen-geben, das Loslassen-können und das Nicht-Ausfragen des Kindes - das sind für mich wichtige Voraussetzungen für eine gelingende Teilnahme an den Begleiteten Besuchstagen.

Als Paar haben sich zwei Personen getrennt, aber für das Kind bleiben sie Eltern. Die Aufgabe von mir und meinem Team ist, im Laufe eines Jahres die Rolle des Vater- und Mutterseins dahingehend zu stärken, dass der Kontakt von Mutter-Kind-Vater selbstständig erfolgen kann.

Mich erfreuen die schönen Geschichten. Wenn die Begleiterinnen und Begleiter mir am Montagmorgen zurückmelden, dass Kinder wie Lea sichtlich eine gute Zeit mit dem Vater verbringen konnten und die Übergaben zusehends entspannter ablaufen.

Gespräch und Bild Michael Wicki

Kontakt

Fachstelle Kinderbetreuung Luzern
Pflegekinder-Aktion Zentralschweiz
Schappeweg 1
Postfach 1249
6011 Kriens
T 041 318 50 60

www.fachstellekinder.ch

Geschäftsleitung: Stephan Immoos