Patrizia Kalbermatten-Casarotti

Leiterin Informations- und Beratungsstelle Palliativ Luzern

Ich beobachte oft, dass Menschen im Angesicht der eigenen Endlichkeit sehr offen sind. Es kommt ihnen in ihrem letzten Abschnitt lediglich noch auf das Echte an.

Patrizia Kalbermatten-Casarotti

Am Montag hatte ich ein schwieriges Gespräch mit einem Mann, der seiner hospitalisierten Frau ermöglichen möchte, zu Hause zu sterben. Ich habe gespürt, dass es ihm wichtig wäre, den Wunsch seiner Frau zu erfüllen, aber auch, dass ihn das jahrelange Wechselspiel zwischen Hoffnung und Enttäuschung buchstäblich an den Rand der Verzweiflung gebracht hat.

Im Laufe des Gesprächs konnte ich den Mann beruhigen. Ich versuche stets in Bezug auf die persönliche Situation die passenden Leistungen zu vermitteln. Das kann die Spitex, einen Palliativ- oder Schmerzmediziner, eine spezialisierte Institution der stationären Langzeitpflege sein, aber auch freiwillig tätige Personen, die mit ihrem Einsatz Tag oder Nacht zu einer spürbaren Entlastung beitragen.

Die Beratung von Schwerkranken, Sterbenden und deren Angehörigen ist meistens recht anspruchsvoll und setzt neben Fachwissen, Einfühlungsvermögen und Sozialkompetenz voraus.

Der Mann hat mir am Schluss gesagt, dass er den Boden unter den Füssen nun wieder besser spüre und für das Erste weiter wisse. Das hat mich sehr gerührt.

Die Beantwortung solcher Fragen gehört für mich zum eigentlichen Kern meiner Arbeit, auch wenn ich als Leiterin der Informations- und Beratungsstelle Palliativ Luzern daneben viel Zeit für die Organisation von Fortbildungsmodulen, für die Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Palliative Care oder für Projekte wie dem Aufbau eines mobilen Palliative Care Dienstes für den ganzen Kanton Luzern aufwende.

Meine Arbeitstage sind Montag, Mittwoch und Freitag. Ich bin mit einem 50-Prozent Pensum angestellt. Komme ich am Morgen an, hat die Beantwortung von neuen Anfragen oberste Priorität. Während meiner Büroabwesenheit hinterlassen uns Ratsuchende oft Mitteilungen auf dem Anrufbeantworter oder sie schreiben uns eine E-Mail. Habe ich eine Telefonnummer, nehme ich baldmöglichst den Kontakt auf. Ich weiss, dass ich Personen, die sich mit einer schwierigen Lebenssituation an die Informations- und Beratungsstelle wenden, nicht warten lassen darf.

Meine Erfahrung zeigt, dass viele Personen in ihrem gewohnten Umfeld, sprich Zuhause, aus dem Leben gehen möchten. Für die Angehörigen bedeutet dies aber oft eine grosse persönliche Belastung. Aufgrund unserer soziodemographischen Entwicklung nehmen die Ein-Personen-Haushalte zu und die jüngere Generation ist immer weniger in der Lage, sich um die älteren und pflegebedürftigen Angehörigen zu kümmern.

Bekannte fragen mich oft, wie ich die ständige Auseinandersetzung mit dem Sterben und dem Tod aushalte. Dabei gibt mir mein Beruf so viel zurück. Ich beobachte oft, dass Menschen im Angesicht der eigenen Endlichkeit sehr offen sind. Es kommt ihnen in ihrem letzten Abschnitt lediglich noch auf das Echte an. Werte wie Liebe und Hilfsbereitschaft stehen im Zentrum. Es ist immer ein sehr intimes und rührendes Moment, wenn man in ihre Sorgen, Probleme und Lebenserfahrungen Einblick erhalten darf.

Sterben und Tod sind in unserer Gesellschaft noch immer ein Tabu. Doch Sterben und Tod gehören so untrennbar zum Leben wie Geborenwerden und Geburt. Angst vor dem Tod habe ich rein rational nicht, wie es mit dem Sterben aussieht, weiss ich aber im Moment nicht.

Natürlich prägt der Tod nicht mein ganzes Leben. Eine meiner Leidenschaften ist mein Garten. Mit meinen Händen die Erde umzugraben und dann zuzusehen, wie meine Blumen mit viel Kraft aus dem Boden wachsen, fasziniert mich ungemein.

Gespräch und Bild Michael Wicki

Kontakt

Palliativ Luzern
Meyerstrasse 20
6003 Luzern
T 041 228 59 80

https://www.palliativ-luzern.ch/

Leiterin Patrizia Kalbermatten-Casarotti