Brigitte Schulyok

Menschen, die sich an uns wenden, merken, dass sie zu sich schauen müssen. Sie fühlen sich oft mit ihren Problemen allein gelassen - vermissen den Austausch mit Menschen in ähnlichen Lebenslagen. Die allermeisten bringen eine grosse Offenheit und Neugierde mit.

Brigitte Schulyok

Ein guter Tipp ist, einfach zugewandt und aufmerksam zu sein und dann niederschwellige, praktische und bedürfnisorientierte Unterstützung zu leisten.

Menschen, die sich an uns wenden, merken, dass sie zu sich schauen müssen. Sie fühlen sich oft mit ihren Problemen allein gelassen - vermissen den Austausch mit Menschen in ähnlichen Lebenslagen. Manchmal sind sie auch einfach interessiert an neuen Perspektiven. Die allermeisten bringen eine grosse Offenheit und Neugierde mit.

Bei Selbsthilfe Luzern, Obwalden Nidwalden bin ich seit fast sechs Jahren zu 35% angestellt. Daneben arbeite ich in einer Schule als Heilpädagogin. Teilweise arbeite ich den ganzen Vormittag in der Schule, komme dann am Nachmittag ins Selbsthilfezentrum und bleibe dafür am Abend länger - etwa für Gruppenbegleitungen.

Ich könnte sagen: Meine Arbeitstage bestehen aus einem Grundgerüst, welches jeden Tag mit zahlreichen Aufgaben-Steinchen gefüllt wird. Wenn ich also wie heute am Nachmittag im Büro eintreffe, so prüfe ich als erstes Mail und Anrufbeantworter und schaue, welche neuen Beratungsanfragen wir erhalten haben.

Das Beantworten von Anfragen von Betroffenen hat oberste Priorität. Wenn immer möglich, versuche ich telefonisch den Kontakt aufzunehmen. Es ist für mich eindrücklich, wenn eine mir unbekannte Person am Telefon von ihrem Schicksal erzählt - ja, oftmals ihr Herz ausschüttet. Aufgrund der dargestellten Situation versuche ich, den Kontakt in eine bestehende Selbsthilfegruppe zu vermitteln. Derzeit treffen sich in unserem Einzugsgebiet rund 90 Gruppen regelmässig. Darunter finden sich Selbsthilfegruppen wie Angst und Panik/soziale Phobie, Borderline Persönlichkeitsstörung oder Chronische Schmerzen.

Wir verstehen die Selbsthilfegruppe allerdings nicht als Ersatz für medizinisch begleitete Therapien. Diagnosen stellen wir grundsätzlich keine. Die Triage an etablierte Institutionen wie die SoBZ oder die LuPS ist daher in jeder Beratung von Bedeutung. Die Selbsthilfe hat ihren Platz. Im Gegensatz zur Akuttherapie ist sie oft nachgelagert; längerfristig. Es geht um die Festigung auf dem eingeschlagenen Weg.

Die Leute sind froh, wenn sie ein niederschwelliges, kostengünstiges Angebot erhalten, das sie dabei unterstützt in ihrem Leben wieder mehr Vertrauen fassen zu können.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die Begleitung von Gruppen im Aufbau. Neue Gruppen begleiten wir von der Selbsthilfe an bis zu drei Treffen, danach organisieren sich die Gruppen selber. Neugründungen sind für mich jeweils wie eine Wundertüte - wohin der Weg führt ist offen.

Eine meiner eindrücklichsten Erfahrungen war die Begleitung einer Selbsthilfegruppe für Jungbetroffene von Demenz. Frau K. meldete sich vor ein paar Jahren bei mir. Sie war damals 50 Jahre alt und wusste genau, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleiben wird. Ihre ganze Kraft hat sie in die Gründung einer Selbsthilfegruppe eingebracht. Selber Betroffene oder nahestehende Personen treffen sich heute noch einmal im Monat.

Mich fasziniert, welche Energien in diesen Gruppen entstehen können - Energien, die dann grosse Auswirkungen auf das ganze Leben haben und alle Lebensbereiche beeinflussen.

Die Arbeit hier im Selbsthilfezentrum hat auch mich verändert. Beispielsweise hatte ich früher bei Gruppengründungen viel stärker das Gefühl, die Führung übernehmen und den Austausch strukturieren zu müssen. Heute lasse ich mehr passieren, kann die Verantwortung den Teilnehmenden gut selber überlassen. Pausen aushalten ist wichtig, denn nur so kann Raum für Neues entstehen.

Das ist auch eine Lektion fürs Leben. An sich hinterfrage ich viele Situationen, versuche zu steuern - zweifeln gehört auch dazu. Vielleicht habe ich gerade deswegen gelernt, darauf zu vertrauen, dass es schon gut kommt und dass alles irgendwie Sinn macht.

Gespräch und Bild Michael Wicki

Kontakt

Selbsthilfe Luzern Obwalden Nidwalden
Weggismattstrasse 9a
6004 Luzern
T 041 210 34 44

www.selbsthilfeluzern.ch

Stellenleitung: Thomas Burri