Pius Eberli

Leiter Wärchstatt und Motivator

Fast wäre ich Lehrer geworden wie zwei meiner Brüder, nun bin ich Wärchstattleiter. Wenn ich es mir recht überlege, ist das gar nicht so ein Unterschied.

Pius Eberli

Gratis gibt es bei uns nichts und fürs «Bäschele» bin ich grundsätzlich nicht der Typ. Da habe ich eine klare Haltung.

Ich verstehe schon, dass unsere Klienten, die wir Teilnehmende nennen, in schwierigen Lebenssituationen stecken, teilweise mit Suchtproblemen kämpfen und meist über Jahre nicht gearbeitet haben. Trotzdem oder gerade deshalb sollen sie hier in der Wärchstatt ehrliche, handfeste Arbeit leisten dürfen.

Ich sage «Arbeit leisten dürfen», da ich sicher bin, dass die geregelte Arbeit für unsere Teilnehmenden eine Lebensstütze ist. Mein Team und ich sorgen hier für eine unbürokratische Tagesstruktur durch sinnvolle Arbeiten im Stundenlohn von Montagmittag bis Freitagabend.

Das kann sein: Restaurieren von Möbeln, kleinere Malerarbeiten, Aufräumarbeiten im Wald und in der Landschaft, Gartenarbeiten oder kleinere Umzüge. Unsere Teilnehmenden können hier den sozialen Umgang neu erlernen, sie entdecken Fähigkeiten, die sie nicht für möglich gehalten haben und sie spüren am Abend diese gesunde Müdigkeit, die sie ohne Schlafmittel einschlafen lässt.

Anfang 2003 bin ich - nach kurzer Anstellungszeit - bereits zum Leiter der Wärchstatt aufgestiegen. Langweilig ist es mir in den letzten 15 Jahren nie geworden. Das hat auch mit der Spontanität zu tun mit der wir hier tagtäglich auf neue Situationen reagieren müssen. Hier gleicht kein Tag dem Anderen.

Meist beurteile ich intuitiv, welche Aufträge wir annehmen können, wann und mit welchen Teilnehmenden wir den Auftrag ausführen. Gar nicht so einfach, da ich nie weiss, auf wie viele Teilnehmende ich effektiv zählen kann. Da wäre es schön, wenn wir noch mehr Teilnehmende beschäftigen könnten - Platz hätten wir noch.

Personen mit einer IV-Rente kommen in der Regel gerne wegen der Tagesstruktur zu uns. Daneben gibt es viele Personen, die von den Sozialämtern aufgefordert werden, hier einzusteigen. Oder aber dieser Schritt wird vom Drop-In nahe gelegt.

Freiwillig sind also nicht alle Teilnehmenden hier. Das macht die Ausgangslage für eine gute Zusammenarbeit manchmal herausfordernd. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen, dem war der Widerwille bereits von weitem anzusehen. Sicher nicht wolle er hier für 4 Franken in der Stunde krampfen, hat er geschimpft! Ich habe ihn dann auf die Seite genommen und mit ihm die Situation geklärt.

Ein halbes Jahr hat er daraufhin an einem Buffet gearbeitet, viermal hat er es abgelaugt, bis in die Ecken geschliffen, neu gekittet, frisch gestrichen - das ganze Programm. Als wir es auf der Verkaufsfläche ausgestellt haben, hat er sicher 1000 Fotos davon gemacht. Vor lauter Stolz über sein Werk hat er richtig gestrahlt.

Gut ich muss hier sagen: Es hat also schon schön ausgesehen. Er ist dann zu mir gekommen und hat gemeint: «Pius ist schon verreckt, was wir bei euch in der Wärchstatt machen können.» Solche Erlebnisse geben mir und meinen Team viel zurück.

Der Dämpfer kommt, wenn das schöne Möbelstück dann mit einem Preisschild versehen wird, das weit unter dem emotionalen Wert des jeweiligen Teilnehmenden liegt. Ihn hier abzuholen, ihm auf die Schulter zu klopfen und ihn mit dieser Situation auszusöhnen: auch das gehört zu meiner Arbeit.

Fast wäre ich Lehrer geworden wie zwei meiner Brüder, nun bin ich Wärchstattleiter. Wenn ich es mir recht überlege, ist das gar nicht so ein Unterschied.


Gespräch und Bild Michael Wicki

Kontakt

Verein Jobdach
Wärchstatt - Tagesstruktur
Bruchstrasse 31
6003 Luzern
T 041 240 16 82

www.jobdach.ch/angebot-waerchstatt

Leitung Wärchstatt: Pius Eberli